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<strong>Spam-E-Mail Anspruch auf Schadensersatz und Erstattung der Rechtsanwaltskosten</strong>

Spam-E-Mail Anspruch auf Schadensersatz und Erstattung der Rechtsanwaltskosten

Unverlangte Werbung per Email – einfach mal 300 € kassieren!

Das unerwünschte Versenden von Werbemails (Spam-E-Mail) stellt eine Rechtsverletzung dar, die den Versender zum Schadensersatz verpflichtet.

Es gibt Werbemails, zu denen im Vorfeld kein Einverständnis erteilt wurde. Inhalte, die von den Empfängern als belästigend empfunden werden, sind hier keine Seltenheit. Derartige Mails sind rechtlich unzulässig. Hiergegen kann vorgegangen werden.

Oftmals zeigt es nach unserer Erfahrung keine Wirkung, wenn man den Versender der Werbemails dazu auffordert, den Versand einzustellen. Häufig versenden auch Bots bzw. automatisierte Prozesse entsprechende Spam-Mails. In vielen Fällen werden Werbemails erst nach einer anwaltlichen Abmahnung unterlassen.

Spam-E-Mail: Anspruch auf Unterlassung und Kostenerstattung

Mit einer Abmahnung kann man den Absender der Werbemail zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auffordern. Um bei der Abmahnung Fehler zu vermeiden, empfiehlt sich die Hinzuziehung eines spezialisierten Anwalts. Die Gebühren, die durch die Beauftragung des Rechtsanwalts anfallen, werden in der überwiegenden Anzahl der Fälle auch von der Gegenseite erstattet werden.

Nunmehr gibt es auch ein Urteil des Amtsgerichts Pfaffenhofen, nach welchem eine Werbemail auch zu einer Schadensersatzanspruch für den Empfänger nach der DSGVO führen kann. Grundvoraussetzung ist jedoch, dass es sich bei der E-Mail-Adresse um persönliche Daten handelt. Im zugrunde liegenden Fall hatte die Beklagte zudem auch keine korrekte Auskunft erteilt. Für die erfolgte Datenverarbeitung lag weder eine Einwilligung des Anwalts noch ein rechtfertigendes berechtigtes Interesse vor. Ein berechtigtes Interesse an einer Direktwerbung scheitere jedenfalls an der Wertung des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG, nach der Email-Werbung ohne vorherige, ausdrückliche Zustimmung eine unzumutbare Belästigung darstelle.

Möglicher Schadensersatz bei Spam-E-Mail

Das Amtsgericht hat entschieden, dass dem Kläger gem. Art. 82 DSGVO ein Anspruch auf Ersatz immateriellen Schadens zustehe, den das Gericht auf EUR 300,00 bezifferte.

Die dortige Beklagte habe zum einen die E-Mail-Adresse des Klägers ohne Rechtfertigung verarbeitet, zum anderen dem Kläger verspätet bzw. zunächst nicht vollständig Auskunft erteilt. Jedenfalls hinsichtlich der Herkunft der Daten habe die Beklagte auf entsprechende Aufforderung des Klägers außergerichtlich keine Auskunft erteilt.

Es kann sich also jeder wehren, der unberechtigt Werbemails /Spam-E-Mails erhält. Unternehmer als auch Private.

Allerdings bei E-Mails ohne Signatur, aus dem Ausland oder unter falschen Angaben ist ein rechtliches Vorgehen meist ausgeschlossen bzw. sehr schwierig. Ob sich ein rechtliches Vorgehen gegen den Verfasser einer Spam-Mail lohnt, muss im Einzelfall betrachtet werden. Melden Sie sich gerne für eine erste Einschätzung und unverbindliches Gespräch bei uns unter:

vermeidbare Fehler im Markenrecht

vermeidbare Fehler im Markenrecht

1. Markenrecht – Marken sind überbewertet – man braucht sie nicht.

Natürlich können Waren und Dienstleistungen ohne Marken-Bezeichnungen verkauft werden. Aber gerade weil Marken als Herkunftshinweis dienen und für die Qualität, den Service und das Image eines Unternehmens stehen können, werden Marken angemeldet. Marken stellen häufig auch einen großen Unternehmenswert dar – Adidas und Nike oder LEIFHEIT und BOSCH leben von ihrem Wert: Sie stehen für Qualität und/oder sollen ein bestimmtes Lebensgefühl vermitteln. Unternehmen investieren viel Aufwand und Geld, um ihre Produkte und Marken gewinnbringend am Markt zu vertreiben. Wenn ein anderer schneller ist und die gleiche Marke eintragen lässt für die gleichen Waren und Dienstleistungen, war der ganze Aufwand umsonst. Daher sollte man schon früh an die Eintragung einer Marke denken. Es reicht übrigens auch aus, dass eine Zeichenähnlichkeit besteht, um die eingetragene Marke erfolgreich gegen das nicht eingetragene Zeichen zu verteidigen.

2. Markenrecht -Wenn ich mein Kennzeichen benutze, brauche ich keine Markenanmeldung.

Natürlich kann man auch ohne eine Markeneintragung in das Register vom Deutschen Patent- und Markenamt Markenschutz erlangen. Die Anforderungen daran sind jedoch sehr hoch, da der Bekanntheitsgrad des Zeichens, für den der Schutz gelten soll, sehr hoch sein und im Streitfall nachgewiesen werden muss. Der Verkehr muss das Zeichen einem bestimmten Unternehmen zuordnen können oder einem bestimmten Produkt.
Hinzu kommt, dass die Unterscheidungskraft des Zeichens in Verbindung mit der Bekanntheit betrachtet wird. Ist ein Zeichen außergewöhnlich, reicht ein relativ geringer Bekanntheitsgrad aus, um Markenschutz zu erlangen. Handelt es sich aber um normale Begrifflichkeiten, so kann ein Freihaltebedürfnis begründet werden und der Bekanntheitsgrad muss sehr hoch sein, damit dem Zeichen markenrechtlicher Schutz zugesprochen werden kann.
Da es schwierig und nahezu unmöglich sein wird, den Bekanntheitsgrad eines Zeichens in der Vergangenheit zu ermitteln, macht es Sinn, Marken eintragen zu lassen.
Denn im Markenrecht gilt der Grundsatz der Priorität, nachdem die ältere Marke sich gegen die jüngere Marke durchsetzt.
So kann also ein nicht eingetragenes Zeichen von einer jüngeren eingetragenen Marke verdrängt werden, weil es dem Inhaber des nicht eingetragenen Zeichens nicht gelingt, die Bekanntheit seines Zeichens zu einem früheren Zeitpunkt zu beweisen.

3. Markenrecht – Ohne eigene Marke kann ich keine Markenrechtsverletzung begehen

Das ist ein fatales Fehldenken. Jedes geschäftliche Handeln kann fremde Marken verletzen. Vor allem durch die Verwendung einer fremden Marke in z.B. Produktbeschreibungen oder als Modellbezeichnungen von Haushalts- oder Bekleidungswaren werden viele Markenrechtsverletzungen begangen.
Häufig wird in Markenabmahnungen angekreidet, dass der Ruf der eingetragenen Marke durch die unerlaubte Verwendung ausgenutzt und beeinträchtigt werde. Dies stellt neben dem markenrechtlichen einen wettbewerbsrechtlichen Rechtsverstoß dar.

4. Eine eigene Marken-Recherche ist preiswerter – also lieber selbst machen.

Über das DPMA-Register sowie das europäische Register TMView und Google kann und sollte man sich vor einer Markeneintragung vorab informieren, ob bereits identische Zeichen existieren, um zu schauen, ob die geplante Marke überhaupt Erfolg hätte, eingetragen zu werden. Denn die Kosten für die Eintragung fallen an, egal, ob die Marke danach aufgrund eines Widerspruchs durch den älteren Markeninhaber wieder gelöscht wird.
Um das zu vermeiden, ist eine vorherige Identitäts- und Ähnlichkeitsrecherche zwingend erforderlich. Ältere Marken können sich auch gegen ähnliche Kennzeichen durchsetzen, da vom Markenschutz auch die Ähnlichkeit eines Zeichens erfasst ist. Bei der Ähnlichkeitsrecherche werden das Erscheinungsbild einer Marke, die klangliche und die sinngemäße Ähnlichkeit miteinander verglichen.
Gerade die Ähnlichkeitsrecherche sollte man professionell durchführen lassen, sowie die juristische Einschätzung der gefundenen Treffer. Von 400 ähnlichen Zeichen sind meist nur 90 als kritisch anzusehen. Diese werden dann juristisch eingeschätzt und beurteilt. Die Entscheidung, ob man die geplante Marke daraufhin eintragen lässt, ist rein wirtschaftlicher Natur und letztendlich vom Unternehmer selbst zu treffen.
Die Wichtigkeit derartiger Markenrecherchen sollte nicht unterschätzt werden und kann sehr viel teurere Abmahnungen verhindern.

5. Markenrecht – Mit Ablauf der Widerspruchsfrist kann eine eingetragene Marke nicht mehr angegriffen werden

Das ist falsch. Die Widerspruchsfrist beträgt 3 Monate ab dem Tag der Veröffentlichung der Eintragung der Marke. Der Widerspruch kann die Löschung aufgrund einer älteren Marke bezwecken. Nach Ablauf dieser Frist kann die Marke zwar nicht mehr im Widerspruchsverfahren beim DPMA angegriffen werden, aber immer noch wegen Nichtigkeit aufgrund absoluter Schutzhindernisse im Sinne des § 8 MarkenG oder aber wegen der Nichtbenutzung der Marke innerhalb 5 Jahren gelöscht werden. Die Nichtbenutzung der Marke kann auch nur für einzelne Waren bzw. Dienstleistungen greifen, daher sollte man bei der Anmeldung das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis möglichst konkret gestalten.

6. Markenrecht – Das Amt prüft bei der Anmeldung, ob ältere identische oder ähnliche Marken bereits bestehen.

Die Anmeldung beim DPMA kostet mindestens 290 Euro, beim EUIPO 850 Euro. Darin ist jedoch nicht die Identitäts- und Ähnlichkeitsrecherche inbegriffen. Das muss der Anmelder selbst vornehmen (lassen). Das Amt prüft lediglich die absoluten Schutzhindernisse aus § 8 MarkenG, d.h. ob das einzutragende Zeichen z.B. Unterscheidungskraft besitzt, kein Freihaltebedürfnis besteht und keine Irreführung möglich ist.
Auch die Überwachung, ob jüngere Marken die eigene Marke in ihrem Schutzrecht verletzen, ist dem Markeninhaber überlassen.

7. Markenrecht – Wenn ich eine Marke nur für bestimmte Waren/Dienstleistungen schütze, können mir identische oder ähnliche Marken in anderen Klassen nicht gefährlich werden.


Wer Marken schützen lassen will, muss alle Waren- und Dienstleistungen beim DPMA angeben, für die das Zeichen Schutz genießen soll. Bei der Ähnlichkeitsprüfung wird auch geschaut, ob die Waren/Dienstleistungen, für die das Zeichen geschützt ist, identisch oder ähnlich sind. Damit eine Verwechslungsgefahr zwischen beiden Marken gegeben ist, muss nicht immer die gleiche Waren- bzw. Dienstleistungsklasse betroffen sein.
Das zeigt auch das Urteil des BGH (Urteil vom 31.10.2013, AZ: I ZR 49/12, OTTO CAP): Der Versandhändler „OTTO“ war in dem Fall gegen den Vertrieb von Baseballkappen mit dem Schriftzug „OTTO“ vorgegangen und konnte sich gerichtlich durchsetzten. Laut BGH ähneln sich die Nizza-Klassen „Groß- und Einzelhandelsdienstleistungen für Bekleidung“ und „Bekleidungsstücke“, sodass eine Verwechslungsgefahr gegeben war.

BGH Urteil zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht „Wittenberger Sau“

BGH Urteil zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht „Wittenberger Sau“

BGH, Urteil vom 14. Juni 2022 – VI ZR 172/20; Der unter anderem für das allgemeine Persönlichkeitsrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass das an der Außenfassade der Wittenberger Stadtkirche angebrachte Sandsteinrelief – die „Wittenberger Sau“ – nicht entfernt werden muss. Es ging im Rechtsstreit um die Verhöhnung und Verunglimpfung des Judentums durch ein Relief, welches sich an der Wittenberger Stadtkirche befindet. Der Kläger sah sich als Jude und Mitglied einer jüdischen Gemeinde in Deutschland in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt. Der BGH hat den Anspruch nunmehr abgelehnt, da die Rechtsverletzung bereits dadurch beseitigt worden sei, dass im November 1988 eine nicht zu übersehende in Bronze gegossene Bodenplatte am Relief angebracht wurde, welche eine Inschrift trägt, die zur Distanzierung der Diskriminierung geführt habe. Bestehen mehrere Möglichkeiten, eine rechtswidrige Beeinträchtigung abzustellen, bleibt es dem Schuldner überlassen, wie er den Störungszustand beseitigt.

Link zur Pressemitteilung:

https://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2022/2022094.html

Pressemitteilung:

„Urteil vom 14. Juni 2022 – VI ZR 172/20

Der unter anderem für das allgemeine Persönlichkeitsrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass das an der Außenfassade der Wittenberger Stadtkirche angebrachte Sandsteinrelief – die „Wittenberger Sau“ – nicht entfernt werden muss.

Sachverhalt:

Die beklagte Kirchengemeinde ist Eigentümerin der Wittenberger Stadtkirche, an deren Außenfassade sich seit etwa dem Jahr 1290 ein Sandsteinrelief befindet. Es zeigt eine Sau, an deren Zitzen zwei Menschen saugen, die durch ihre Spitzhüte als Juden identifiziert werden. Ein ebenfalls durch seinen Hut als Jude zu identifizierender Mensch hebt den Schwanz der Sau und blickt ihr in den After. Im Jahr 1570 wurde in Anlehnung an zwei von Martin Luther 1543 veröffentlichte antijudaistische Schriften über der Sau die Inschrift „Rabini Schem Ha Mphoras“ angebracht. Im Jahr 1983 entschied der Gemeindekirchenrat im Rahmen von Sanierungsarbeiten an der Stadtkirche, das Relief an seinem Ort zu belassen und ebenfalls zu sanieren. Am 11. November 1988 wurde unter dem Relief eine in Bronze gegossene quadratische Bodenreliefplatte mit einer Inschrift eingeweiht. Der Text der Inschrift lautet: „Gottes eigentlicher Name, der geschmähte Schem Ha Mphoras, den die Juden vor den Christen fast unsagbar heilig hielten, starb in 6 Millionen Juden unter einem Kreuzeszeichen“. In Hebräischer Schrift ist darüber hinaus der Beginn von Psalm 130 wiedergegeben, der – übersetzt – lautet: „Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir“. Auf einem in unmittelbarer Nähe angebrachten Schrägaufsteller heißt es unter der Überschrift „Mahnmal an der Stadtkirche Wittenberg“:

„An der Südostecke der Stadtkirche Wittenberg befindet sich seit etwa 1290 ein Hohn- und Spottbild auf die jüdische Religion. Schmähplastiken dieser Art, die Juden in Verbindung mit Schweinen zeigen – Tiere, die im Judentum als unrein gelten – waren besonders im Mittelalter verbreitet. Es existieren noch etwa fünfzig derartige Bildwerke.

Judenverfolgungen fanden in Sachsen Anfang des 14. Jahrhunderts und 1440 statt, 1536 wurde Juden der Aufenthalt in Sachsen grundsätzlich verboten.

Martin Luther veröffentlichte 1543 die antijudaistischen Schriften „Von den Juden und ihren Lügen“ und „Vom Schem Hamphoras und vom Geschlecht Christi“, auf die sich die Inschrift der Schmähplastik bezieht. Sie wurde 1570 angebracht wie der lateinische Text an der Traufe, der die von Martin Luther angestoßene Reformation mit der Tempelreinigung Jesu (Matthäus 21) gleichsetzt und gegen „Papisten“ polemisiert.

Das Mahnmal unterhalb der Schmähplastik wurde im November 1988 enthüllt, fünfzig Jahre nach dem Beginn der Judenpogrome im nationalsozialistisch beherrschten Deutschland. Die in Bronze gegossene Bodenplatte zeigt vier gegeneinander verkippte Trittplatten, die aussehen, als seien sie in morastigem Untergrund verlegt. Die Fugen ergeben ein Kreuzeszeichen. Der umlaufende Text verbindet die Inschrift der Schmähplastik mit dem Holocaust: „Gottes eigentlicher Name / der geschmähte Schem Ha Mphoras / den die Juden vor den Christen / fast unsagbar heilig hielten / starb in sechs Millionen Juden / unter einem Kreuzeszeichen.“ Dazu steht in hebräischer Schrift der Beginn von Psalm 130: „Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir“. Die Bronzeplatte entwarf der Bildhauer Wieland Schmiedel. Die Umschrift verfasste der Schriftsteller Jürgen Rennert.“

Der Kläger ist Jude und Mitglied einer jüdischen Gemeinde in Deutschland. Mit seiner Klage verlangt er von der Beklagten in erster Linie die Entfernung des Sandsteinreliefs; für den Fall, dass der Beklagten dies aus Denkmalschutzgründen nicht möglich sein sollte, begehrt er hilfsweise die Feststellung, dass das Relief den objektiven und subjektiven Tatbestand der Beleidigung gemäß § 185 StGB erfülle.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Die Revision hatte keinen Erfolg. Der Kläger kann von der Beklagten nicht die Entfernung des beanstandeten Sandsteinreliefs verlangen. Es fehlt an der für einen derartigen Anspruch erforderlichen gegenwärtigen Rechtsverletzung.

Zwar wies das Relief jedenfalls bis zur Verlegung der in Bronze gegossenen Bodenreliefplatte am 11. November 1988 einen das jüdische Volk und seine Religion massiv diffamierenden Aussagegehalt auf und brachte Judenfeindlichkeit und Hass zum Ausdruck. Es diente zur Zeit seiner Entstehung und auch noch im 16. Jahrhundert, als es durch die Inschrift „Rabini Schem Ha Mphoras“ ergänzt wurde, dazu, Juden verächtlich zu machen, zu verhöhnen und auszugrenzen. Das Schwein gilt im Judentum bekanntlich als unrein; in der christlichen Kunst des Mittelalters verkörpert es den Teufel. Den diffamierenden Aussagegehalt hatte das Relief jedenfalls auch noch bis zur Verlegung der Bronzeplatte. Der Kläger ist auch aktivlegitimiert; er ist berechtigt, den Aussagegehalt des Reliefs gerichtlich zu beanstanden. Isoliert betrachtet verhöhnt und verunglimpft das Relief das Judentum als Ganzes. Durch eine solche Darstellung wird unmittelbar auch der Geltungs- und Achtungsanspruch eines jeden in Deutschland lebenden Juden angegriffen. Denn diese Personengruppe ist durch den nationalsozialistischen Völkermord zu einer Einheit verbunden, die sie aus der Allgemeinheit hervortreten lässt. Die in dem beanstandeten Relief jedenfalls bis zur Verlegung der Bronzeplatte zum Ausdruck kommende diffamierende Aussage ist der Beklagten zuzurechnen. Dabei konnte offenbleiben, ob dies allein deshalb der Fall ist, weil die Beklagte das Relief nicht von der Fassade ihres Kirchengebäudes entfernt hat. Denn die Beklagte hat sich durch ihren Gemeindekirchenrat im Jahr 1983 entschieden, das Relief im Rahmen von Sanierungsarbeiten an der Stadtkirche an seinem Ort zu belassen und zu sanieren.

Die Beklagte hat den jedenfalls bis zum 11. November 1988 bestehenden rechtsverletzenden Zustand aber dadurch beseitigt, dass sie unter dem Relief eine nach den örtlichen Verhältnissen nicht zu übersehende, in Bronze gegossene Bodenplatte mit der oben dargestellten Inschrift enthüllt und in unmittelbarer Nähe dazu einen Schrägaufsteller mit der Überschrift „Mahnmal an der Stadtkirche Wittenberg“ angebracht hat, der den historischen Hintergrund des Reliefs und die Bronzeplatte näher erläutert. Aus der maßgeblichen Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Betrachters hat sie das bis dahin als Schmähung von Juden zu qualifizierende Sandsteinrelief – das „Schandmal“ – in ein Mahnmal zum Zwecke des Gedenkens und der Erinnerung an die jahrhundertelange Diskriminierung und Verfolgung von Juden bis hin zur Shoah umgewandelt und sich von der diffamierenden und judenfeindlichen Aussage – wie sie im Relief bei isolierter Betrachtung zum Ausdruck kommt – distanziert. Anders als der Kläger meint, kann der von dem Sandsteinrelief ausgehende rechtsverletzende Zustand nicht allein durch Entfernung des Reliefs beseitigt werden. Auch wenn das Relief von Anfang an und immer nur der Diffamierung und Verunglimpfung von Juden diente und kaum eine bildliche Darstellung denkbar ist, die in höherem Maße im Widerspruch zur Rechtsordnung steht, gebietet die Rechtsordnung nicht seine Beseitigung. Vielmehr bestand mehr als diese eine Möglichkeit, die von ihm ausgehende rechtswidrige Beeinträchtigung für die Zukunft abzustellen. Die Umwandlung des „Schandmals“ in ein Mahnmal und in ein Zeugnis für die Jahrhunderte währende judenfeindliche Geisteshaltung der christlichen Kirche ist eine der Möglichkeiten, den rechtsverletzenden Aussagegehalt zu beseitigen.

Aber auch wenn man annähme, die Beklagte habe sich durch die Enthüllung der in Bronze gegossenen Bodenplatte und die Aufstellung des Schrägaufstellers noch nicht hinreichend von der im Relief bei isolierter Betrachtung zum Ausdruck kommenden Aussage distanziert, könnte der Kläger nicht die – allein begehrte – Entfernung des beanstandeten Sandsteinreliefs verlangen. Bestehen, wie im Streitfall, mehrere Möglichkeiten, eine rechtswidrige Beeinträchtigung für die Zukunft abzustellen, muss es dem Schuldner überlassen bleiben, wie er den Störungszustand beseitigt.

Vorinstanzen:

LG Dessau-Roßlau – 2 O 230/18 – Urteil vom 24. Mai 2019

OLG Naumburg – 9 U 54/19 – Urteil vom 4. Februar 2020

Karlsruhe, den 14. Juni 2022

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501

Ergänzende Dokumente

Urteil des VI. Zivilsenats vom 14.6.2022 – VI ZR 172/20 –

Neues Grundsatzurteil im Patenrecht:

Neues Grundsatzurteil im Patenrecht:

einstweilige Verfügungen sind laut dem EuGH auch möglich, wenn noch kein Nichtigkeits- oder Einspruchsverfahren durchlaufen wurde

Der EuGH hat eine wichtige und richtige Entscheidung in Patentverletzungsstreitsachen getroffen, nunmehr sind auch im Patentrecht einstweilige Verfügungen einfacher möglich.

EuGH, Urteil vom 28.04.2022, Az. C-44/21
Art. 9 Abs. 1 EU-RL 2004/48/EG, § 139 Abs.1 PatenG, § 935 ZPO, § 940 ZPO

Der EuGH hat entschieden, dass der Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht an die Bewährung in Rechtsbestandsverfahren gekoppelt werden darf. Allerdings ist weiterhin die Glaubhaftmachung hinreichend gesicherten Rechtsbestandes erforderlich.

Die Richtlinie 2004/48/EG betrifft die Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums. Der Erlass einer einstweiligen Verfügung in einer Patentverletzungssache setzt grundsätzlich neben Verfügungsanspruch (Verletzung des Verfügungspatents) und Verfügungsgrund (Dringlichkeit) die Glaubhaftmachung eines hinreichend gesicherten Rechtsbestands des Verfügungspatents voraus.

Der EuGH entschied nun, dass Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48/EG dahin auszulegen ist, dass er ationaler Rechtsprechung entgegensteht, wonach der Erlass einstweiliger Maßnahmen wegen der Verletzung von Patenten grundsätzlich verweigert wird, wenn das in Rede stehende Patent nicht zumindest ein erstinstanzliches Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren überstanden hat.

Hierfür reichte es nach der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung (OLG München) für den Erlass einer einstweiligen Verfügung im Fall einer Patentverletzung grundsätzlich nicht aus, dass das geltend gemachte Patent von der Erteilungsbehörde – in diesem Fall dem Europäischen Patentamt – nach eingehender Prüfung erteilt wurde.

Die entgegenstehende Rechtsprechung des OLG München stelle eine Anforderung auf, mit der Art. 9 Abs. 1 EU-RL 2004/48/EG jede praktische Wirksamkeit genommen werde. Dem erstinstanzlichen Gericht (hier: dem LG München I) werde die Möglichkeit genommen, im Einklang mit dieser Bestimmung eine einstweilige Maßnahme anzuordnen, um die Verletzung des in Rede stehenden, von ihm als rechtsbeständig und verletzt erachteten Patents unverzüglich zu beenden, so der EuGH.

Die Vorlage des LG München I (hier) war ein mutiger Schritt, den EuGH entscheiden zu lassen, da es sich durch die aufhebenden Berufungsentscheidungen zweitinstanzlichen OLG München (hier) unzumutbar in seiner Rechtsausübung eingeschränkt sah. Zum Volltext der Entscheidung:


Fachanwältin für Gewerblichen Rechtschutz zum Patentrecht

Wollen Sie gegen eine Abmahnung oder eine einstweilige Verfügung oder eine patentrechtliche Klage vorgehen? Rufen Sie mich an: Tel. 030 / 28505856 oder schicken Sie die Unterlagen per E-Mail (berlin@res-media.net). Fachanwältin Katrin Freihof, Partnerin der Kanzlei RESMEDIA ist durch ihre patentrechtlichen Verfahren mit dem Patentrecht seit Jahren vertraut. Wir verfügen über ein internationales Netzwerk und arbeiten mit Patentanwälten als auch Recherchediensten eng zusammen.


URTEIL DES GERICHTSHOFS (Sechste Kammer)

In der Rechtssache C‑44/21

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landgericht München I (Deutschland) mit Entscheidung vom 19. Januar 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Januar 2021, in dem Verfahren

Phoenix Contact GmbH & Co. KG

gegen

HARTING Deutschland GmbH & Co. KG,

Harting Electric GmbH & Co. KG

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung …

aufgrund des schriftlichen Verfahrens, unter Berücksichtigung der Erklärungen …

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. 2004, L 157, S. 45, berichtigt in ABl. 2004, L 195, S. 16).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits, den die Phoenix Contact GmbH & Co. KG gegen die HARTING Deutschland GmbH & Co. KG und die Harting Electric GmbH & Co. KG führt und in dem sie die Verletzung eines europäischen Patents rügt, dessen Inhaberin sie ist.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        In den Erwägungsgründen 10, 17 und 22 der Richtlinie 2004/48 heißt es:

„(10)      Mit dieser Richtlinie sollen [die] Rechtsvorschriften [der Mitgliedstaaten] einander angenähert werden, um ein hohes, gleichwertiges und homogenes Schutzniveau für geistiges Eigentum im Binnenmarkt zu gewährleisten.

(17)      Die in dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe sollten in jedem Einzelfall so bestimmt werden, dass den spezifischen Merkmalen dieses Falles, einschließlich der Sonderaspekte jedes Rechts an geistigem Eigentum und gegebenenfalls des vorsätzlichen oder nicht vorsätzlichen Charakters der Rechtsverletzung gebührend Rechnung getragen wird.

(22)      Ferner sind einstweilige Maßnahmen unabdingbar, die unter Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und der Verhältnismäßigkeit der einstweiligen Maßnahme mit Blick auf die besonderen Umstände des Einzelfalles, sowie vorbehaltlich der Sicherheiten, die erforderlich sind, um dem Antragsgegner im Falle eines ungerechtfertigten Antrags den entstandenen Schaden und etwaige Unkosten zu ersetzen, die unverzügliche Beendigung der Verletzung ermöglichen, ohne dass eine Entscheidung in der Sache abgewartet werden muss. Diese Maßnahmen sind vor allem dann gerechtfertigt, wenn jegliche Verzögerung nachweislich einen nicht wiedergutzumachenden Schaden für den Inhaber eines Rechts des geistigen Eigentums mit sich bringen würde.“

4        Art. 2 („Anwendungsbereich“) der Richtlinie 2004/48 sieht in Abs. 1 vor:

„Unbeschadet etwaiger Instrumente in den Rechtsvorschriften der [Union] oder der Mitgliedstaaten, die für die Rechtsinhaber günstiger sind, finden die in dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe gemäß Artikel 3 auf jede Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums, die im [Unionsrecht] und/oder im innerstaatlichen Recht des betreffenden Mitgliedstaats vorgesehen sind, Anwendung.“

5        Kapitel II („Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe“) der Richtlinie 2004/48 enthält u. a. ihren Art. 3 („Allgemeine Verpflichtung“), der lautet:

„(1)      Die Mitgliedstaaten sehen die Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe vor, die zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, auf die diese Richtlinie abstellt, erforderlich sind. Diese Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe müssen fair und gerecht sein, außerdem dürfen sie nicht unnötig kompliziert oder kostspielig sein und keine unangemessenen Fristen oder ungerechtfertigten Verzögerungen mit sich bringen.

(2)      Diese Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe müssen darüber hinaus wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein und so angewendet werden, dass die Einrichtung von Schranken für den rechtmäßigen Handel vermieden wird und die Gewähr gegen ihren Missbrauch gegeben ist.“

6        Art. 9 („Einstweilige Maßnahmen und Sicherungsmaßnahmen“) der Richtlinie 2004/48 bestimmt:

„(1)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständigen Gerichte die Möglichkeit haben, auf Antrag des Antragstellers

a)      gegen den angeblichen Verletzer eine einstweilige Maßnahme anzuordnen, um eine drohende Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums zu verhindern oder einstweilig und, sofern die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften dies vorsehen, in geeigneten Fällen unter Verhängung von Zwangsgeldern die Fortsetzung angeblicher Verletzungen dieses Rechts zu untersagen oder die Fortsetzung an die Stellung von Sicherheiten zu knüpfen, die die Entschädigung des Rechtsinhabers sicherstellen sollen; eine einstweilige Maßnahme kann unter den gleichen Voraussetzungen auch gegen eine Mittelsperson angeordnet werden, deren Dienste von einem Dritten zwecks Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums in Anspruch genommen werden; …

b)      die Beschlagnahme oder Herausgabe der Waren, bei denen der Verdacht auf Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums besteht, anzuordnen, um deren Inverkehrbringen und Umlauf auf den Vertriebswegen zu verhindern.

(5)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die einstweiligen Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 auf Antrag des Antragsgegners aufgehoben oder auf andere Weise außer Kraft gesetzt werden, wenn der Antragsteller nicht innerhalb einer angemessenen Frist – die entweder von dem die Maßnahmen anordnenden Gericht festgelegt wird, sofern dies nach dem Recht des Mitgliedstaats zulässig ist, oder, wenn es nicht zu einer solchen Festlegung kommt, 20 Arbeitstage oder 31 Kalendertage, wobei der längere der beiden Zeiträume gilt, nicht überschreitet – bei dem zuständigen Gericht das Verfahren einleitet, das zu einer Sachentscheidung führt.

(6)      Die zuständigen Gerichte können die einstweiligen Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 an die Stellung einer angemessenen Kaution oder die Leistung einer entsprechenden Sicherheit durch den Antragsteller knüpfen, um eine etwaige Entschädigung des Antragsgegners gemäß Absatz 7 sicherzustellen.

(7)      Werden einstweilige Maßnahmen aufgehoben oder werden sie auf Grund einer Handlung oder Unterlassung des Antragstellers hinfällig … oder wird in der Folge festgestellt, dass keine Verletzung oder drohende Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums vorlag, so sind die Gerichte befugt, auf Antrag des Antragsgegners anzuordnen, dass der Antragsteller dem Antragsgegner angemessenen Ersatz für durch diese Maßnahmen entstandenen Schaden zu leisten hat.“

 Deutsches Recht

7        § 58 Abs. 1 des Patentgesetzes bestimmt in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung:

„Die Erteilung des Patents wird im Patentblatt veröffentlicht. Gleichzeitig wird die Patentschrift veröffentlicht. Mit der Veröffentlichung im Patentblatt treten die gesetzlichen Wirkungen des Patents ein.“

8        § 139 Abs. 1 des Patentgesetzes sieht vor:

„Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht.“

9        § 935 der Zivilprozessordnung lautet in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung:

„Einstweilige Verfügungen in Bezug auf den Streitgegenstand sind zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.“

10      § 940 der Zivilprozessordnung bestimmt:

„Einstweilige Verfügungen sind auch zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern diese Regelung, insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint.“

 Verfahren vor dem Gerichtshof

11      Das vorlegende Gericht hat beantragt, die vorliegende Rechtssache dem beschleunigten Verfahren gemäß Art. 105 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs zu unterwerfen.

12      Es stützt diesen Antrag im Wesentlichen darauf, dass es aufgrund der Art des Ausgangsverfahrens rasch zu entscheiden habe. Außerdem entstünden Phoenix Contact ohne schnelles gerichtliches Eingreifen erhebliche wirtschaftliche Nachteile durch die weitere Herstellung und den weiteren Vertrieb patentverletzender Produkte. Bei einer etwaigen Verletzung des Patents würden nämlich insbesondere die Marktanteile von Phoenix Contact gefährdet, und ihr gingen als Inhaberin des in Rede stehenden Patents unwiederbringlich Vertriebschancen verloren, was durch die eventuelle spätere Zuerkennung von Schadensersatz kaum ausgeglichen werden könnte.

13      Nach Art. 105 Abs. 1 der Verfahrensordnung kann der Präsident des Gerichtshofs auf Antrag des vorlegenden Gerichts oder ausnahmsweise von Amts wegen, nach Anhörung des Berichterstatters und des Generalanwalts, entscheiden, eine Vorlage zur Vorabentscheidung einem beschleunigten Verfahren zu unterwerfen, wenn die Art der Rechtssache ihre rasche Erledigung erfordert.

14      Ein solches beschleunigtes Verfahren ist ein Verfahrensinstrument, mit dem auf eine außerordentliche Dringlichkeitssituation reagiert werden soll (Urteil vom 10. März 2022, Commissioners for Her Majesty’s Revenue and Customs [Umfassender Krankenversicherungsschutz], C‑247/20, EU:C:2022:177, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

15      Darüber hinaus können nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs die wirtschaftliche Sensibilität einer Rechtssache oder wirtschaftliche Interessen, einschließlich solcher, die möglicherweise Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen haben – so bedeutend und legitim sie auch sein mögen –, für sich genommen die Anwendung des beschleunigten Verfahrens nicht rechtfertigen (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 18. Oktober 2017, Weiss u. a., C‑493/17, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:792, Rn. 10 und die dort angeführte Rechtsprechung).

16      Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich ferner, dass das bloße – wenn auch legitime – Interesse der Rechtsuchenden daran, den Umfang der ihnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte möglichst schnell zu klären, nicht geeignet ist, das Vorliegen eines außergewöhnlichen Umstands im Sinne von Art. 105 Abs. 1 der Verfahrensordnung zu belegen (Urteil vom 3. März 2022, Presidenza del Consiglio dei Ministri u. a. [Ärzte in Weiterbildung zum Facharzt], C‑590/20, EU:C:2022:150, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

17      In Bezug auf den Umstand, dass das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen im Rahmen eines einen Antrag auf einstweilige Anordnung betreffenden innerstaatlichen Verfahrens ergangen ist, hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Tatsache, dass ein Vorabentscheidungsersuchen im Rahmen eines innerstaatlichen Verfahrens ergeht, in dem einstweilige Maßnahmen erlassen werden können, weder für sich genommen noch in Verbindung mit den oben in Rn. 15 angeführten Umständen zu belegen vermag, dass die Art der Rechtssache ihre rasche Erledigung erfordert (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 18. Oktober 2017, Weiss u. a., C‑493/17, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:792, Rn. 12 und die dort angeführte Rechtsprechung).

18      In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen hat der Präsident des Gerichtshofs am 11. Februar 2021 nach Anhörung der Berichterstatterin und des Generalanwalts entschieden, den Antrag auf Durchführung eines beschleunigten Verfahrens zurückzuweisen.

 Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

19      Am 5. März 2013 meldete Phoenix Contact ein Patent für einen „Steckverbinder umfassend eine Schutzleiterbrücke“ an. Im Rahmen des der Patenterteilung vorausgegangenen Verfahrens machte Harting Electric Einwendungen gegen die Patentierbarkeit des genannten Produkts geltend.

20      Am 26. November 2020 wurde Phoenix Contact das angemeldete Patent u. a. für Deutschland erteilt.

21      Am 14. Dezember 2020 beantragte Phoenix Contact beim vorlegenden Gericht den Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der HARTING Deutschland und Harting Electric untersagt werden soll, das in Rede stehende Patent zu verletzen.

22      Der Hinweis auf die Erteilung des Patents wurde am 23. Dezember 2020 im Europäischen Patentblatt veröffentlicht.

23      Am 15. Januar 2021 legte Harting Electric beim Europäischen Patentamt (EPA) Einspruch gegen die Erteilung des Patents ein.

24      Das vorlegende Gericht führt aus, es sei zu der vorläufigen Schlussfolgerung gelangt, dass das in Rede stehende Patent rechtsbeständig und verletzt sei. Der Bestand des Patents sei nicht gefährdet.

25      Es sehe sich jedoch durch die bindende Rechtsprechung des Oberlandesgerichts München (Deutschland), wonach es für den Erlass einer einstweiligen Maßnahme im Fall einer Patentverletzung nicht ausreiche, dass das betreffende Patent von der Erteilungsbehörde, hier dem EPA, nach eingehender Prüfung seiner Patentierbarkeit erteilt worden sei und die Frage seines Rechtsbestands auch im Rahmen der Entscheidung über einen Verfügungsantrag einer gerichtlichen Prüfung unterzogen werde, am Erlass einer einstweiligen Verfügung gehindert.

26      Nach dieser Rechtsprechung setze der Erlass einstweiliger Maßnahmen darüber hinaus das Vorliegen einer Entscheidung im Einspruchs‑/Beschwerdeverfahren vor dem EPA oder des Bundespatentgerichts (Deutschland) im Nichtigkeitsverfahren voraus, mit der bestätigt werde, dass das betreffende Patent für das in Rede stehende Produkt Schutz entfalte.

27      Da das vorlegende Gericht diese Rechtsprechung für unvereinbar mit dem Unionsrecht, insbesondere mit Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48, hält, hat es beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist es mit Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48 vereinbar, dass im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes letztinstanzlich zuständige Oberlandesgerichte den Erlass einstweiliger Maßnahmen wegen der Verletzung von Patenten grundsätzlich verweigern, wenn das Streitpatent kein erstinstanzliches Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren überstanden hat?

 Zur Vorlagefrage

28      Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Rechtsprechung entgegensteht, wonach der Erlass einstweiliger Maßnahmen wegen der Verletzung von Patenten grundsätzlich verweigert wird, wenn das betreffende Patent nicht zumindest ein erstinstanzliches Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren überstanden hat.

29      Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Kontext und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Oktober 2021, Magistrat der Stadt Wien, [Feldhamster – II], C‑357/20, EU:C:2021:881, Rn. 20).

30      Erstens müssen die Mitgliedstaaten nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/48 sicherstellen, dass die zuständigen Gerichte die Möglichkeit haben, auf Antrag des Antragstellers gegen den angeblichen Verletzer eine einstweilige Maßnahme anzuordnen, um eine drohende Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums zu verhindern.

31      Nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit den Erwägungsgründen 17 und 22 der Richtlinie 2004/48 haben die Mitgliedstaaten in ihrem nationalen Recht die Möglichkeit für die zuständigen nationalen Gerichte vorzusehen, nach einer Prüfung der besonderen Umstände des Einzelfalls und unter Beachtung der in Art. 9 vorgesehenen Voraussetzungen eine einstweilige Maßnahme zu erlassen.

32      Zweitens sollen nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/48 in Verbindung mit ihrem 22. Erwägungsgrund die im nationalen Recht vorgesehenen einstweiligen Maßnahmen die unverzügliche Beendigung der Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums ermöglichen, ohne dass eine Entscheidung in der Sache abgewartet werden muss. Diese Maßnahmen sind vor allem dann gerechtfertigt, wenn jegliche Verzögerung nachweislich einen nicht wiedergutzumachenden Schaden für den Inhaber eines solchen Rechts mit sich bringen würde. Somit kommt dem Zeitfaktor besondere Bedeutung für die wirksame Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums zu.

33      Im vorliegenden Fall weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass das in Rede stehende Patent rechtsbeständig und verletzt sei, so dass dem Antrag von Phoenix Contact auf Erlass einer einstweiligen Maßnahme stattzugeben sei. Dieses Gericht ist jedoch an eine nationale Rechtsprechung gebunden, wonach das betreffende Patent nur dann vorläufigen Rechtsschutz genießen kann, wenn es ein erstinstanzliches Rechtsbestandsverfahren überstanden hat.

34      Mit einer solchen Rechtsprechung wird ein Erfordernis aufgestellt, das Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/48 jede praktische Wirksamkeit nimmt, da es dem nationalen Richter verwehrt ist, im Einklang mit dieser Bestimmung eine einstweilige Maßnahme anzuordnen, um die Verletzung des in Rede stehenden, von ihm als rechtsbeständig und verletzt erachteten Patents unverzüglich zu beenden.

35      Wie Phoenix Contact in ihren schriftlichen Erklärungen ausführt, könnte ein solches Erfordernis dazu führen, dass potenziell patentverletzende Wettbewerber des Inhabers des in Rede stehenden Patents bewusst von einem Angriff auf dessen Rechtsbestand absehen, um zu verhindern, dass das Patent in den Genuss wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes kommt, so dass der in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48 vorgesehene Mechanismus des vorläufigen Schutzes seiner Substanz beraubt würde.

36      Drittens bestätigen die mit der Richtlinie 2004/48 verfolgten Ziele, dass eine nationale Rechtsprechung wie die oben in Rn. 33 angeführte nicht mit ihr im Einklang steht.

37      Insoweit geht aus dem zehnten Erwägungsgrund der Richtlinie hervor, dass mit ihr die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten einander angenähert werden sollen, um ein hohes, gleichwertiges und homogenes Schutzniveau für geistiges Eigentum im Binnenmarkt zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Dezember 2019, IT Development, C‑666/18, EU:C:2019:1099, Rn. 38). Die Richtlinie findet allerdings, wie sich aus ihrem Art. 2 Abs. 1 ergibt, unbeschadet etwaiger für die Rechtsinhaber günstigerer Instrumente in den Rechtsvorschriften u. a. der Mitgliedstaaten Anwendung (Urteil vom 25. Januar 2017, Stowarzyszenie Oławska Telewizja Kablowa, C‑367/15, EU:C:2017:36, Rn. 22).

38      Folglich wird mit der Richtlinie 2004/48 nur ein Mindeststandard für die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums festgeschrieben, der die Mitgliedstaaten nicht daran hindert, stärker schützende Maßnahmen vorzusehen (Urteil vom 25. Januar 2017, Stowarzyszenie Oławska Telewizja Kablowa, C‑367/15, EU:C:2017:36, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39      Ferner geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass die Bestimmungen dieser Richtlinie darauf abzielen, diejenigen Aspekte im Zusammenhang mit Rechten des geistigen Eigentums zu regeln, die zum einen eng mit ihrer Durchsetzung verbunden sind und zum anderen Verletzungen dieser Rechte betreffen, indem sie das Vorhandensein wirksamer Rechtsbehelfe vorschreiben, die dazu bestimmt sind, jede Verletzung eines bestehenden Rechts des geistigen Eigentums zu verhüten, abzustellen oder zu beheben (Urteil vom 18. Dezember 2019, IT Development, C‑666/18, EU:C:2019:1099, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

40      Ein innerstaatliches Verfahren, mit dem jede Verletzung eines bestehenden Rechts des geistigen Eigentums unverzüglich beendet werden soll, wäre wirkungslos und würde somit das Ziel eines hohen Schutzniveaus für geistiges Eigentum verfehlen, wenn seine Anwendung einem Erfordernis unterläge, wie es durch die oben in Rn. 33 angeführte nationale Rechtsprechung aufgestellt wird.

41      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass für angemeldete europäische Patente ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung ihrer Erteilung eine Vermutung der Gültigkeit gilt. Ab diesem Zeitpunkt genießen sie somit in vollem Umfang den u. a. durch die Richtlinie 2004/48 gewährleisteten Schutz (vgl. entsprechend Urteil vom 30. Januar 2020, Generics [UK] u. a., C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 48).

42      Überdies ist in Bezug auf die Gefahr, dass der Antragsgegner im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes durch den Erlass einstweiliger Maßnahmen einen Schaden erleidet, festzustellen, dass nach Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2004/48 die zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, auf die diese Richtlinie abstellt, erforderlichen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe so angewendet werden müssen, dass die Einrichtung von Schranken für den rechtmäßigen Handel vermieden wird und die Gewähr gegen ihren Missbrauch gegeben ist.

43      Diese Bestimmung verpflichtet somit die Mitgliedstaaten und letztlich die nationalen Gerichte, Garantien dafür zu bieten, dass insbesondere die in Art. 9 der Richtlinie 2004/48 genannten Maßnahmen und Verfahren nicht missbräuchlich verwendet werden (Urteil vom 12. September 2019, Bayer Pharma, C‑688/17, EU:C:2019:722, Rn. 68).

44      Hierzu ist festzustellen, dass der Unionsgesetzgeber insbesondere Rechtsinstrumente vorgesehen hat, die es gestatten, die Gefahr, dass der Antragsgegner durch die einstweiligen Maßnahmen einen Schaden erleidet, insgesamt zu verringern und ihn damit zu schützen.

45      Zunächst stellen die Mitgliedstaaten nach Art. 9 Abs. 5 der Richtlinie 2004/48 sicher, dass u. a. die einstweiligen Maßnahmen nach Art. 9 Abs. 1 auf Antrag des Antragsgegners aufgehoben oder auf andere Weise außer Kraft gesetzt werden, wenn der Antragsteller nicht innerhalb einer angemessenen Frist – die entweder von dem die Maßnahmen anordnenden Gericht festgelegt wird, sofern dies nach dem Recht des Mitgliedstaats zulässig ist, oder, wenn es nicht zu einer solchen Festlegung kommt, 20 Arbeitstage oder 31 Kalendertage, wobei der längere der beiden Zeiträume gilt, nicht überschreitet – bei dem zuständigen Gericht das Verfahren einleitet, das zu einer Sachentscheidung führt.

46      Sodann sieht Art. 9 Abs. 6 der Richtlinie 2004/48 vor, dass diese einstweiligen Maßnahmen an die Stellung einer angemessenen Kaution oder die Leistung einer entsprechenden Sicherheit durch den Antragsteller geknüpft werden können, um eine etwaige Entschädigung des Antragsgegners sicherzustellen. Dieses Schutzinstrument kann von dem zuständigen, mit dem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz befassten Gericht zum Zeitpunkt der Prüfung dieses Antrags eingesetzt werden.

47      Schließlich besteht nach Art. 9 Abs. 7 der Richtlinie 2004/48 in den dort genannten Fällen die Möglichkeit, auf Antrag des Antragsgegners anzuordnen, dass der Antragsteller ihm angemessenen Ersatz für den durch die einstweiligen Maßnahmen entstandenen Schaden zu leisten hat.

48      Diese Rechtsinstrumente stellen Sicherheiten dar, die der Unionsgesetzgeber als Gegenstück zu den von ihm vorgesehenen schnellen und wirksamen einstweiligen Maßnahmen für erforderlich gehalten hat. Sie entsprechen somit den Garantien, die in der Richtlinie 2004/48 zugunsten des Antragsgegners als Gegenstück zum Erlass einer einstweiligen Maßnahme, die seine Interessen beeinträchtigt hat, vorgesehen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 2015, Diageo Brands, C‑681/13, EU:C:2015:471, Rn. 74 und 75).

49      Um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, ist darauf hinzuweisen, dass die mit der Auslegung des nationalen Rechts betrauten nationalen Gerichte bei dessen Anwendung sämtliche nationalen Rechtsnormen berücksichtigen und die im nationalen Recht anerkannten Auslegungsmethoden heranziehen müssen, um seine Auslegung so weit wie möglich am Wortlaut und am Zweck der fraglichen Richtlinie auszurichten, damit das von ihr festgelegte Ergebnis erreicht und so Art. 288 Abs. 3 AEUV nachgekommen wird (Urteil vom 19. April 2016, DI, C‑441/14, EU:C:2016:278, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

50      Darüber hinaus hat der Gerichtshof festgestellt, dass der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts bestimmten Schranken unterliegt. So findet die Verpflichtung des nationalen Richters, bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts das Unionsrecht heranzuziehen, ihre Schranken in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen und darf nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen (Urteil vom 19. April 2016, DI, C‑441/14, EU:C:2016:278, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

51      Im vorliegenden Fall enthalten, wie das vorlegende Gericht hervorhebt, die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden deutschen Rechtsvorschriften keine Bestimmung, wonach der Erlass einer einstweiligen Maßnahme zur Untersagung einer Patentverletzung eine gerichtliche Entscheidung in einem Rechtsbestandsverfahren voraussetzt, so dass diese Rechtsvorschriften mit der Richtlinie 2004/48 voll und ganz im Einklang stehen.

52      In diesem Zusammenhang ist klarzustellen, dass das Erfordernis einer unionsrechtskonformen Auslegung die Verpflichtung der nationalen Gerichte umfasst, eine gefestigte Rechtsprechung gegebenenfalls abzuändern, wenn sie auf einer Auslegung des nationalen Rechts beruht, die mit den Zielen einer Richtlinie unvereinbar ist (Urteil vom 19. April 2016, DI, C‑441/14, EU:C:2016:278, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

53      Daher hat das vorlegende Gerichts für die volle Wirksamkeit von Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48 Sorge zu tragen, indem es erforderlichenfalls eine mit dieser Bestimmung unvereinbare nationale Rechtsprechung aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewandt lässt.

54      Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Rechtsprechung entgegensteht, wonach der Erlass einstweiliger Maßnahmen wegen der Verletzung von Patenten grundsätzlich verweigert wird, wenn das in Rede stehende Patent nicht zumindest ein erstinstanzliches Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren überstanden hat.

 Kosten

55      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) für Recht erkannt:

Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Rechtsprechung entgegensteht, wonach der Erlass einstweiliger Maßnahmen wegen der Verletzung von Patenten grundsätzlich verweigert wird, wenn das in Rede stehende Patent nicht zumindest ein erstinstanzliches Einspruchs‑ oder Nichtigkeitsverfahren überstanden hat.

IDO Vertragsstrafe Klage auch nach Kündigung der Unterlassungserklärung

IDO Vertragsstrafe Klage auch nach Kündigung der Unterlassungserklärung

In einem von uns vertretenen Fall, in welchem der IDO Vertragsstrafe gegenüber der Mandantschaft forderte, haben wir die ursprünglich unterzeichnete Unterlassungserklärung Namens und im Auftrag unserer Mandantschaft gekündigt und die Vertragsstrafenforderung zurückgewiesen.

Nunmehr erhielt unser Mandant eine Ladung des Landgerichts Düsseldorf und eine entsprechende Klageschrift des IDO übermittelt. Die Klage enthält nur für den IDO positive Aspekte, erwähnt jedoch wohlweislich nicht die aktuelle Rechtsprechung vieler Gerichte bezüglich fehlender Aktivlegitimation des IDO. Mit keinem Wort wird auch erwähnt, dass wir für unsere Mandantschaft die Unterlassungserklärung gekündigt haben und die Forderung aus mehreren Gründen zurückwiesen.

Mittlerweile ist der IDO nicht mehr befugt abzumahnen. Nach neuem Wettbewerbsrecht sind nur Wirtschaftsvereine zum Abmahnen berechtigt, wenn sie in die Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände eingetragen sind. Die dortigen Voraussetzungen erfüllt der IDO wohl derzeit nicht, so dass er bisher in der Liste nicht aufgenommen wurde.

Beim Bundesamt für Justiz ist die Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb veröffentlicht und wird stetig aktualisiert: https://www.bundesjustizamt.de/DE/Themen/Buergerdienste/qualifizierte_Wirtschaftsverbaende/Liste.html .

Es gibt bereits einige Urteile, die die Rechtmäßigkeit der Kündigung von Unterlassungserklärungen gegenüber dem IDO bestätigen. Es bleibt nunmehr abzuwarten, ob dies auch andere Gerichte so sehen.

Was kann ich für Sie tun?

Unsere Kanzlei vertritt Mandanten seit Jahren im Bereich Wettbewerbsrecht, insbesondere auch hinsichtlich abgegebener vertragsstrafenbewehrter Unterlassungserklärungen. Sollten Sie auch eine Aufforderung zur Zahlung von Vertragsstrafe erhalten haben, schicken Sie mir diese einfach per E-Mail zu und Sie erhalten umgehend eine kostenlose Ersteinschätzung und den Vorschlag für das weitere Vorgehen, insbesondere der Einschätzung, ob die Forderung abgewehrt werden kann. Für die Beweissicherung ist es sinnvoll, wenn Sie vor Änderung oder Löschung der Angebote einen Screenshot der bisherigen Nutzung fertigen, damit wir einen Einblick in die konkrete Angebotssituation haben.

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